Fünf Schritte zur Erschließung des EU-Kühlpotenzials

Freitag, 23. Juni 2017

Autor: JÜRGEN FISCHER, PRESIDENT OF DANFOSS COOLINGVeröffentlicht auf:EURACTIVKönnen Sie sich eine Welt ohne Kühlung vorstellen? Haben Sie heute nicht Ihren Kühlschrank geöffnet, um die frische Milch für Ihr Müsli oder den Kaffee herauszuholen? Ohne Kältetechnik wäre das nicht möglich. Doch Kühlung ist kein Luxus. In unserer modernen Gesellschaft ist es eine Notwendigkeit, die einen starken Einfluss auf Gesundheit, Arbeitsproduktivität, Reduzierung von Nahrungsmittelverlusten, industrielle Prozesse und vieles mehr hat.

Mit dem technologischen Fortschritt und dem Wachstum der Weltbevölkerung wird der Kühlbedarf voraussichtlich exponentiell steigen. Die Europäische Kommission erwartet, dass der Bedarf an Raumkühlung in der EU bis 2030 um 70 % steigt. Es wird davon ausgegangen, dass der Kältesektor den Wärmesektor bis 2060 spätestens eingeholt und am Ende des Jahrhunderts sogar um 60 % überholt haben wird. Der Kühlbedarf wird zudem mit der zunehmenden Digitalisierung unserer Gesellschaft steigen. So wird fast die Hälfte des Stroms eines Rechenzentrums für die Kühlung verwendet und die Leistungsaufnahme eines Rechenzentrums hat sich zwischen 2007 und 2013 fast vervierfacht und lag bei 43 GW – eine Menge, die der Erzeugungskapazität Südafrikas entspricht.

Es ist entscheidend, dass wir bei der Wandlung zu einem nachhaltigen Kältesektor die Vorreiterrolle übernehmen. Wir stehen eine Woche vor der Annahme der allgemeinen Ausrichtung des Rates zur Energieeffizienz-Richtlinie und zur Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden. Dies ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur vollständigen Dekarbonisierung des Kältesektors.
Für mich muss der bevorstehende Rechtsrahmen unseren Sektor auf fünf Arten prägen:

  1. Die Sensibilisierung für das Energiesparpotenzial von Kühlung im Hinblick auf den Verbraucher
    Wir unterschätzen die Bedeutung von Kühlung für das gemäßigte europäische Klima. Die Kühl- und Gefrierschränke in fast jedem modernen Haushalt sind für die größte Kälteenergie-Einzelbelastung verantwortlich. Im Vereinigten Königreich verbrauchen sie 4 % des gesamten Stroms, das sind bis zu 13 TWh pro Jahr.
    Kühlung beschränkt sich jedoch nicht nur auf den Haushalt. Supermärkte verbrauchen derzeit bis zu 2 % des Stroms eines Landes. 70 % unserer Lebensmittel werden bei der Herstellung gekühlt oder gefroren und weitere 50 % werden in einem Kühlregal im Einzelhandel angeboten. Der Online-Lebensmittelhandel und die Lieferung von Lebensmitteln an die Haustür des Verbrauchers sollen bis 2027 von 10 auf 40 % steigen, und damit auch der Einsatz von Kühlfahrzeugen.
  2. Die Reduzierung des Kühlbedarfs von Gebäuden bei gleichzeitiger Gewährleistung des Raumkomforts
    Große Gebäude, insbesondere Bürogebäude und Krankenhäuser, wären ohne Klimatisierung unbewohnbar. Die Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden und die Richtlinie über die Energieeffizienz müssen daher zwei Quellen sein, die bei der Dekarbonisierung des Gebäudebestands bis 2050 berücksichtigt werden müssen (neuer Artikel 2a). Wesentliche Sanierungsvorgaben und nahezu Null-Energie-Gebäude werden eine bessere Belüftung erfordern und, bis zu einem gewissen Grad auch mehr Klimatisierung, da die Gebäude immer besser isoliert werden. Durch effizientere Geräte, Sonnenschutz und Fenstertechnik kann diese Nachfrage zwar bis zu einem gewissen Grad abgeschwächt werden, aber wir müssen auch versuchen, eine Kältetechnik mit erneuerbaren Energiequellen zu integrieren.
  3. Die Befähigung des Kältesektors, die Nutzung erneuerbarer Energien zu beschleunigen
    Angetrieben durch den Rahmen für Energie- und Klimapolitik bis 2030 werden 45 % des Stroms aus erneuerbaren Quellen erzeugt werden, was die Notwendigkeit einer besseren Energiespeicherung und eines verstärkten Nachfragesteuerung mit sich bringt. Mit einem günstigen politischen Umfeld kann dieses Ziel durch die Kältetechnik unterstützt werden. Die wachsende Rolle von Wärmepumpen ist eine weitere Möglichkeit, um überschüssige erneuerbare Energiekapazitäten zu integrieren. Auch dies muss von der Politik weiter gefördert werden.
    Und durch Fernkälte kann überschüssige Kühlkapazität integriert und freie Kühlung über Seen und natürliche Gewässer bereitgestellt werden. Wenn wir insgesamt Systeme miteinander kombinieren, werden wir die energieeffizientesten Lösungen finden.
  4. Die Weiterentwicklung von Sektorkoppelung und Systemdenken
    Die Koppelung von Wärme- und Kühlbereichen kann zu enormen Effizienzsteigerungen führen. So kann beispielsweise die Verwertung unvermeidlicher Abwärme in Supermärkten, die durch intelligente Gebäude ermöglicht wird, ein weiteres Ziel der Politik sein. In einem Anwendungsbeispiel in Dänemark wurde die Heizkostenabrechnung eines lokalen Supermarktes durch Wärmerückgewinnung um 80 % reduziert und die vom Kühlsystem des Speichers erzeugte Wärme zurück ins Fernwärmenetz geschickt.
    Das Systemdenken muss im Vordergrund stehen. Es ist bereits jetzt möglich, Supermärkte in das größere Energiesystem zu integrieren und Überkapazitäten freizusetzen, die 70 % der Kühlleistung eines Verdichters ausmachen, und die dann bei Spitzenlast zur Verfügung gestellt werden können.
    Die Technologie ist vorhanden – jetzt muss die Politik jedoch Innovationen fördern und die erforderlichen Investitionen anregen. Diese Innovation wird von mehreren Mitgliedstaaten durch eine Doppelbesteuerung von Wärme verhindert.
  5. Die Umsetzung der Digitalisierung als Türöffner für eine nachhaltigere Kühlung
    Die Digitalisierung kann der entscheidende Faktor für die Branche sein. Wir sehen bereits heute, wie durch große Datenmengen und Analysen Technologien intelligenter eingesetzt, Effizienzsteigerungen genutzt und auf Kühlkapazitäten zugegriffen werden kann, die bisher nicht ausgelastet waren. Derzeit gehen 9 % der produzierten Lebensmittel in der EU aufgrund mangelnder ausreichender Kühlung verloren. Durch Überwachungssoftware, die die Temperatur und Luftfeuchtigkeit in der gesamten Kühlkette überwacht, kann den Verlust von Lebensmitteln erheblich reduziert und der Energie- und Wasserverbrauch des Sektors gesenkt werden. Daher müssen Maßnahmen zur Förderung energieeffizienter und ausreichend kontrollierter Lieferketten ein weiterer Schwerpunkt in der EU sein.

Die ersten Schritte zur Sensibilisierung und Erläuterung der Bedeutung von Kühlung für die europäischen Bürger wurden diese Woche auf der Auftaktveranstaltung des Forums CoolingEU im Rahmen der Europäischen Woche für nachhaltige Energie unternommen. Durch diese Initiative wird eine Bewegung von Industrien eingeleitet, die in den Bereichen Fernwärme, Wärme, Kälte, Lüftung und Klimatisierung zusammenarbeiten, um den schlafenden Riesen Nachhaltige Kühlung zu wecken. 

Lassen Sie uns eines klarstellen: Kühlen ist kein Luxus – es ist ein wesentlicher Bestandteil unserer modernen Gesellschaft. Und wenn es uns gelingt, dies nachhaltig zu tun, werden wir auch den Klimaschutz der Erde sorgen.

 

Prime Tower in Zürich

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Unsere Lösungen finden in der Kälte-, Klima- und Heizungstechnik sowie der Motorsteuerung und Mobilhydraulik Anwendung.

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